Wabi Sabi…

Als Nach­wirkung von Mür­ren 2022 ein Exkurs zum Per­fek­ten nicht Per­fek­ten. Wer in Mür­ren dabei war, erlebte 2 Kata Train­ings, eines bei Sen­sei Daniel und eins bei Sen­sei Andrea. Bei bei­den Train­ings dachte ich mir ab und zu: Was mach ich da? Was die Sen­sei und auch andere Karate­ka zeigten, weck­te leichte Zweifel am eige­nen Wirken. Doch das sind defin­i­tiv die falschen Schlüsse. Schliesslich wer­den alle durch Train­ing bess­er, und nicht durch Zweifel.

Wabi Sabi

Wabi Sabi als Dop­pel­wort beschreibt eine Welt­sicht die Fehler und Män­gel, das Schlichte und Flüchtige sowie die Endlichkeit akzep­tiert und darin Schön­heit erken­nt.

Die ursprüngliche Bedeu­tung von Wabi war ein­sames Leben in der Natur, während Sabi für mager, ver­wit­tert, ver­welkt stand. Mit der Zeit beka­men die bei­den Wörter pos­i­tive Kon­no­ta­tio­nen. Es geht darum, Schön­heit im Unvol­lkomme­nen zu ent­deck­en.

Darum wer­den zer­broch­ene Tassen und Teller liebevoll geflickt. Die Stücke wur­den mit ver­gold­e­tem Lack zusam­menge­fügt. Ein stim­miges Ganzes entste­ht, mit einem guten Stück Vergänglichkeit.
In der west­lichen Kul­tur hat Wabi Sabi eben­falls Einzug gehal­ten: Im “Shab­by chic”, dem Schäbi­gen Look. Dieser kann natür­lich auch dem “Under­state­ment” geschuldet sein, aber im Kern geht es doch darum, das Unper­fek­te zu adeln.

Was bitte hat das mit Karate zu tun?

Es stimmt, dass im Karate nach der per­fek­ten Form gestrebt wird, diese per­fek­te Form ver­schiebt sich mit steigen­den Fähigkeit­en der Karate­ka. So wie ein Mag­net einen andern vor sich her­schiebt, gibt es den Berührungspunkt zwis­chen Karate­ka und per­fek­ter Form nicht. Let­ztlich bleibt jede Karate Tech­nik nicht per­fekt, weil es noch eine per­fek­tere gibt.

Auch wenn Karate jung erhält, wer­den wir älter und das Karate ändert sich. Es passt sich dem Kör­p­er an, was aber nicht mit Aufgeben ver­wech­selt wer­den sollte. Auf jed­er Stufe, ob alt, jung, Weiss­gurt oder Dan gilt es, die per­fek­te Form anzus­treben, im Wis­sen, dass diese nicht existiert. Wabi Sabi hat da viel Tröstlich­es. Die flüchtige Form der Kata ist nicht per­fekt, aber mit genug Gelassen­heit und dem Wis­sen, das zu geben, was möglich ist, ist es für diesen Augen­blick gut, so wie es ist. Und für den näch­sten Augen­blick eben­so gut, es nochmals zu ver­suchen.

Die Momente von Inspi­ra­tion, in denen wir für ein paar flüchtige Tech­niken lang spüren: So sollte es sein. Wichtige Momente, denn nun gibt es eine Vor­lage, das Bewusst­sein für die richtige Tech­nik, Verzei­hung, Form ist angekom­men. Ein­mal verin­ner­licht, begin­nt der Kreis des Ler­nens von Neuem.

Wabi Sabi lädt ein, Karate gelassen zu trainieren, an den kleinen Fortschrit­ten Freude zu haben und sich nicht zu ärg­ern, wenn es mal nicht so gut läuft, eine Ver­let­zung zum Umdenken zwingt. Dann entste­ht sie, die neue, schöne Form.

Nichts bleibt, nichts ist abgeschlossen, und nichts ist per­fekt (schön ist es trotz­dem).

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Karate und Demut zum Ersten Karate und Demut und zum Zweit­en: Karate und Demut die Zweite